Bedroht ChatGPT das Geschäftsmodell von Zeitungsverlagen?

Chatbots wie ChatGPT können die Lektüre von Zeitungsartikeln überflüssig machen – so die Befürchtung der Zeitungsverlage. Die Presse sieht ihr Geschäftsmodell in Gefahr, wenn Wettbewerber mithilfe künstliche Intelligenz ihre Online-Artikel nutzen, um Konkurrenzangebote zu erstellen. Die Verleger fordern deshalb, dass die Nutzung von Presseinhalten durch Chatbots lizenzpflichtig und damit kostenpflichtig sein soll (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/chatbot-suche-verleger-fordern-lizenzgebuhren-von-microsoft-und-google-9336164.html). Was ist der urheberrechtliche Hintergrund dieser Forderung?

Chatbots werden mit Datensätzen trainiert, die zumeist (aber nicht nur) aus dem Internet stammen. Daher ist denkbar, dass der Traffic auf Original-Artikel im Internet abnimmt, weil KI-Angebote auf Nutzeranfrage die Zusammenfassung eines Presseartikels liefern oder eine gezielte Auswertung von Artikeln zu einem bestimmten Thema vornehmen (https://www.wired.com/story/news-publishers-are-wary-of-the-microsoft-bing-chatbots-media-diet/). In Deutschland gilt die Urheberrechtsschranke des § 44b UrhG „Text und Data Mining“. Das ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten urheberrechtlich geschützten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Zulässig sind Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken, also z.B. von Texten auf einer Website im Internet – dies aber nur für die Zwecke des Text und Data Mining (§ 44b Abs. 2 UrhG).

Es ist denkbar, dass im generierten Text Fragmente jener Texte auftauchen, mit denen die KI trainiert wurde. Solche Textfragmente bzw. Formulierungen können urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie einen gewissen Umfang haben und ihrerseits eine eigenpersönliche Schöpfung darstellen bzw. bei Presseveröffentlichungen (Leistungsschutzrecht gem. § 87g UrhG) über die Nutzung „einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge“ hinausgehen (ChatGPT: Verletzung von Urheberrechten?). Die Urheberrechtsschranke des Text und Data Mining rechtfertigt solche Nutzungen m.E. jedoch nicht. Die Verlage könnten sich dagegen ganz ohne Ausweitung des Leistungsschutzrechts zur Wehr setzen (entspr. BGH Urt. v. 1.12.2010, Az. I ZR 12/08 – Perlentaucher). Und in den anderen Fällen gilt der Grundsatz, dass nur die konkrete Gestalt (ein „Werk“) Urheberschutz genießen kann, nicht Ideen, Anregungen oder tatsächliche Ereignisse. Diese Grundbedingung für die geistige Auseinandersetzung sollte nicht angetastet werden, zumal die Verlage einer Ausbeutung ihrer Texte durch KI nicht schutzlos ausgeliefert sind. Sie haben die Möglichkeit, der Auswertung ihrer Texte durch Vorbehalt der Rechte für das Text und Data Mining zu widersprechen (§ 44b Abs. 3 UrhG).

Disclaimer: Die Ausführungen geben die Meinung des Autors wieder und stellen keine Rechtsberatung dar.

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