Urheberrecht: Inhaltskontrolle von Musik-Produktionsvertrag (Filmserie „Dr. Stefan Frank“)
- 17/10/2022
- 10:04
- Kanzlei_Dr_Riegger
Der Kläger stellte als Auftragswerk diverse Filmmusiken für die RTL-Serie „Dr. Stefan Frank“ her. Er schloss dazu einen Produktionsvertrag und einen Verlagsvertrag mit einer Tochtergesellschaft des Fernsehsenders ab. Im Produktionsvertrag verpflichtete er sich zur Einräumung sämtlicher urheberrechtlichen Nutzungsrechte an seinen Musik-Kompositionen sowie zum Abschluss eines Verlagsvertrags, der auf die Verbreitung der erstellten Werke gerichtet war. Dafür erhielt der Kläger ein Pauschalhonorar von 597.000 DM. Im Verlagsvertrag war eine Aufteilung der GEMA-Ausschüttungen im Verhältnis 60% (Kläger) zu 40% (Beklagte) enthalten. Aufgrund hoher GEMA-Ausschüttungen überstieg der Verlegeranteil (rd. 830.000 EUR) das von der Beklagten an den Kläger gezahlte Pauschalhonorar bei Weitem. Der Kläger ist der Auffassung, die geschlossenen Verträge seien wegen Wuchers nichtig. Hilfsweise argumentiert er, die Verträge hielten einer Inhaltskontrolle nach AGB-Recht nicht Stand, weil der Vereinnahmung des GEMA-Anteils durch die Beklagte im Verlagsvertrag keine verlegerische Leistung der Beklagten gegenüberstehe.
Landgericht und Oberlandesgericht weisen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers bestätigt der Bundesgerichtshof die Entscheidung (Urt. v. 21.4.2022, Az. I ZR 214/20). Das Gericht ist der Auffassung, dass beide Verträge zusammen zu würdigen seien. Somit stelle die im Produktionsvertrag vorgesehene Pauschalvergütung zugleich eine Gegenleistung für die Einräumung des Verlagsrechts durch den Kläger im Verlagsvertrag dar. Ein Wucher liege nicht vor, weil kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden könne. Bei der Beurteilung sei auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Damals sei nicht absehbar gewesen, dass die der Beklagten zufließenden GEMA-Tantiemen infolge der vielfachen Wiederholungssendungen der Serie das Pauschalhonorar des Klägers erheblich übersteigen würden. Entsteht nachträglich ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar war, führt das nach Auffassung des BGH nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages. Eine Inhaltskontrolle nach AGB-Recht scheide deshalb aus, weil mit der Rechtseinräumung und der Vergütungsabrede vertragliche Hauptleistungspflichten streitgegenständlich sind, die als Ausfluss der Privatautonomie keiner Inhaltskontrolle nach AGB-Recht unterliegen.
Praxistipp: Ein Pauschalhonorar als Vergütung für die Einräumung von Nutzungsrechten an urheberrechtlich geschützten Werken ist sowohl für den Urheber wie auch für seinen Vertragspartner riskant. Ändern sich im Nachhinein die Umstände, die für die Bemessung der Vergütung maßgeblich waren, ist dem Urheber der Weg über § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) zumeist verschlossen. Mehr Erfolg verspricht in diesen Fällen der Weg über §32a UrhG, also die Vertragsanpassung bei nachträglich entstehendem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (früher: „Bestseller-Paragraph“ genannt).