Hinweisgeberschutz-Gesetz: öffentliche Anhörung im Bundestag

AM 19.10.22 fand die öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum „Hinweisgeberschutz“ (BT-Drs. 20/3442) statt. Die Anhörung konnte im Parlamentsfernsehen verfolgt werden. Mehrere Sachverständige bestätigten die auf diesem Blog geäußerte Kritik (Blogbeitrag vom 15.4.22) und brachten noch zusätzliche Aspekte in die Diskussion ein.

Der Sachverständige Dr. Gerdemann (Univ. Göttingen) kritisiert unbestimmte Rechtsbegriffe wie „nationale Sicherheit“ in § 5 Abs. 1 Nr. 1 RefE, die den Schutz von Hinweisgebern im öffentlichen Bereich einschränkten. Ebenso sei denkbar, dass durch die Möglichkeit zur Einstufung von Vorgängen als geheime Verschlusssache der Whistleblower-Schutz im öffentlichen Bereich missbräuchlich eingeschränkt werden könne.

Die Sachverständigen Harrer-Kouliev (BDA) Reppelmund (DIHK) fordern Anreize für die vorzugsweise Nutzung unternehmens-interner Meldestellen.

Fr. Reppelmund weist ferner auf die von den Mitgliedsunternehmen geäußerte Sorge vor Denunziantentum infolge des verstärkten Hinweisgeberschutzes sowie dessen mögliche missbräuchliche Ausnutzung hin (z.B. durch Arbeitnehmer als vorsorglicher Schutz gegen eine betriebsbedingte Kündigung). Der Anwendungsbereich des HinweisgeberschutzG ist ihrer Ansicht nach zu weit gefasst, weil mit dem Einschluss „missbräuchlicher Praktiken“ (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 RefE) auch rechtmäßiges Verhalten erfasst werde. Zudem sei die Pflicht zur Löschung der Dokumentation nach nur zwei Jahren (§ 11 Abs. 5 RefE) zu kurz bemessen. Wenn die Hinweis-Dokumentation gelöscht sei, könne der Arbeitgeber beispielsweise bei einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess nicht mehr den Beweis führen, dass die Kündigung von der Meldung unbeeinflusst war. Verstöße von Unternehmen gegen Strafnormen, die ein Antragsdelikt sind, sollten aus dem Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes ausgenommen werden (§ 2 RefE).

Der Sachverständige Prof. Dr. Thüsing (Univ. Bonn) kritisiert anhand eines anschaulichen Beispiels, dass ein Arbeitnehmer trotz (evtl. sogar wiederholter) schuldhafter (fahrlässiger) Falschbehauptung über sein Unternehmen im Rahmen von Whistleblower-Hinweisen nach dem RefE vor jeglicher arbeitsrechtlicher bzw. Schadenersatz-Sanktion geschützt sein kann.

Der Sachverständige Werdermann kritisiert, dass der Hinweisgeberschutz im öffentlichen/staatlichen Bereich stark eingeschränkt ist. Grundrechtsverstöße der Verwaltung seien nicht in den Anwendungsbereich des RefE einbezogen (§ 2 RefE). Werdermann sieht die Möglichkeit der missbräuchlichen Einstufung von Vorgängen im öffentlichen Bereich als Verschlusssache kritisch (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 RefE) – die Einstufung müsse vom Hinweisgeber überprüft werden können.

Demgegenüber kritisierte die Sachverständige Falter (Whistleblower-Netzwerk e.V.) den Gesetzentwurf, weil der Umfang des Hinweisgeber-Schutzes ihrer Ansicht nach nicht weitgehend genug sei. Neben Rechtsverstößen sollte auch sonstiges unternehmerisches Fehlverhalten – etwa ethisch fragwürdige Praktiken – den Schutz begründen.

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