Gesetzesverstoß – wettbewerbswidrig?

Ein Unternehmen kann sich einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen, indem es eine gesetzliche Bestimmung missachtet (s. Wettbewerbsrecht). In solchen Fällen sind die Behörden am Zug, das Verhalten zu sanktionieren. Kann auch der Konkurrent gegen den Gesetzesbrecher vorgehen und z.B. Unterlassung des unrechtmäßigen Verhaltens verlangen? Im Prinzip ja, aber: Nicht jede Übertretung des Gesetzes ist zugleich wettbewerbswidrig. Das gilt nur für Vorschriften, die das Marktverhalten regeln. Wenn also Unternehmen steuerliche Vorschriften oder Arbeitsschutz-Gesetze missachten, handeln sie nicht zugleich wettbewerbswidrig, denn diese Normen dienen anderen Zwecken als der Regelung des Marktverhaltens (Einnahmen für die öffentliche Hand bzw. Gesundheitsschutz). Marktverhaltensregelnd sind aber z.B. Werbeverbote, Informationspflichten auf Lebensmittel-Verpackungen, Preisvorschriften oder Zulassungsvoraussetzungen für den Produktvertrieb (Arzneimittel-Zulassung, „CE“-Kennzeichnung für Medizinprodukte).

Marktverhaltensregelnd sind auch die Bestimmungen zum Ladenschluss, v.a. an Sonn- und Feiertagen. Der Ladenschluss fällt in die Regelungskompetenz der Bundesländer (https://landesrecht.rlp.de/bsrp/document/jlr-L%C3%96GRPrahmen/part/X). Zahlreiche Reglungen der Länder enthalten Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung, die zumeist per Rechtsverordnung von den Landesregierungen bestimmt werden (s.o.: § 9). In einem Fall, der unlängst vom BGH entschieden wurde, klagte ein Einzelhändler gegen einen Konkurrenten, der unweit des ehemaligen Flughafens Zweibrücken sein Geschäft u.a. in der Ferienzeit an Sonntagen geöffnet hielt und sich dabei auf eine Rechtsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz stützen konnte (https://landesrecht.rlp.de/bsrp/document/jlr-L%C3%96G%C2%A77Abs2DVRPpP1). Die entscheidende Frage war: Ist die Rechtsverordnung trotz der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung des Linien-Flugverkehrs im Jahr 2014 noch taugliche Rechtsgrundlage für die Sonntagsöffnung oder liegt ein Rechtsverstoß gegen das übergeordnete Ladenschlussgesetz und damit ein wettbewerbswidriges Verhalten vor? Das Oberlandesgericht war der Ansicht, dass die Rechtsverordnung trotz Wegfalls des Regelungszwecks weiterhin gültig ist. Weil darin die Sonntagsöffnung ausdrücklich gestattet sei, liege kein unlauteres Marktverhalten vor. Der BGH hebt die Entscheidung auf. Entscheidend sei, so das Gericht, ob die Rechtsverordnung aufgrund des Entfalls ihres Regelungsgegenstandes gegen höherrangiges Recht verstoße (hier: Sonntagsruhe gem. Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV). Ist der Verstoß derart gravierend, dass die Verordnung von der Landesregierung hätte aufgehoben werden müssen, begründe dies ihre Nichtigkeit. Sie entfalte dann nach Ansicht des BGH trotz ihres formalen Fortbestandes keine Rechtswirkungen mit der Folge, dass der Beklagte gegen das Verbot der Sonntagsöffnung verstoßen und wettbewerbswidrig handeln würde. Weil Aspekte des Sachverhalts noch aufzuklären sind, verweist der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück (Urt. v. 27.7.2023, Az. I ZR 144/22 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2023&nr=134435&pos=8&anz=1675).

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