Staatliche „Presse“-Erzeugnisse und Wettbewerbsrecht

Der BGH setzt in einem aktuellen Urteil der staatlichen Betätigung auf dem Gebiet der Presse Grenzen. Konkret geht es um den Internetauftritt einer Großstadt. Deren „offizielles Stadtportal“ umfasst 173.000 Seiten und hat eine beachtliche Reichweite von mehr als 12 Millionen Seitenaufrufen pro Monat. Neben typischen verwaltungsbezogenen und kommunalpolitischen Informationen enthält die Website auch die Rubriken „Branchenbuch“, „Veranstaltungen“, „Kino“, „Freizeit“, „Restaurants“ und „Shopping“.

Die Kläger sind überregionale Zeitungsverlage. Sie halten das Stadtportal der Beklagten für wettbewerbswidrig, weil die Stadt ein Presseprodukt anbiete und damit gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße. Das Landgericht gibt der Klage statt. Die dagegen erhobene Berufung weist das Oberlandesgericht mit der Begründung zurück, dass vor allem die zahlreichen redaktionellen Beiträge unter den Rubriken „Restaurants“ und „Shopping“ nicht vom kommunalen Aufgabenbereich gedeckt seien. Auch gehe die Anzeigenwerbung auf dem Portal über eine bloße Randnutzung hinaus und gefährde damit die privatwirtschaftlichen Presseorgane, die sich maßgeblich aus Anzeigenerlösen finanzieren.

Auf die Revision der Stadt hebt der BGH das Urteil auf. Das Wettbewerbsrecht hält der BGH für anwendbar, weil das „Stadtportal“ mit den privaten Presseorganen um Anzeigenkunden konkurriert. Dass das Portal nur im Internet verbreitet wird, hindert nach Meinung des obersten Zivilgerichts in Anbetracht einer Vielzahl von reinen Online-Publikationen nicht seine Einstufung als Presseerzeugnis. Eine Kommune dürfe zwar im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit über die ihr zugewiesenen Aufgaben informieren, also z.B. über städtische Behörden, Sprechzeiten und kommunalpolitische Vorhaben. Auch Stadtmarketing und Tourismusförderung zählt der BGH zum Bereich der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit. Die Grenze zur unzulässigen Pressearbeit sieht der BGH jedoch überschritten, wenn in der Berichterstattung kein Bezugspunkt zum zugewiesenen kommunalen Aufgabenbereich mehr besteht. In einer Gesamtwürdigung des Auftritts sei zu prüfen, ob die kommunale Publikation nach diesen inhaltlichen Kriterien und aufgrund ihrer Präsentation (Verwendung pressetypischer Gestaltungen und Elemente wie Interviews, Kommentare, gewerbliche Anzeigen in mehr als nur untergeordnetem Umfang) geeignet sei, den Leser vom Bezug eines privaten Presseprodukts abzuhalten. Die Gefahr einer Substitution bestehe in diesem Fall vor allem dann, wenn das kommunale Presseprodukt kostenlos verfügbar sei. Das OLG habe jedoch, so der BGH, allgemein wettbewerbswidrige Handlungen der Kommune im Rahmen ihres Stadtportals in die Gesamtwürdigung einbezogen, etwa angebliche Verstöße der Stadt gegen das Neutralitätsgebot bei Empfehlung fremder Leistungen. Auch die Verquickung hoheitlicher Aufgabenerfüllung mit einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Kommune fiele darunter (Wettbewerbsrecht „geschäftliche Betätigung von Kommunen“). Derartige Wettbewerbsverstöße könnten nur zum Verbot des konkret angegriffenen Beitrags (z.B. eines Artikels mit unzulässiger Empfehlung), nicht aber zum Verbot des Stadtportals als solches führen. Aus diesem Grund verweist der BGH den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (Urt. v. 13.7.2023, Az. I ZR 152/21 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2023&nr=134234&pos=20&anz=1572).

Anmerkung: Jede staatliche Aufgabenwahrnehmung hängt von einer entsprechenden Steuerzahlung ab. Eine profitable wirtschaftliche Betätigung findet vorzugsweise im privatwirtschaftlichen Bereich statt. Es wäre wünschenswert, wenn die Gerichte diesen grundlegenden Aspekt in Fällen, in denen es um die Konkurrenz zwischen privaten und kommunalen Leistungsanbietern geht, stärker in den Blick nehmen würden. Die Entscheidung des BGH weist vor diesem Hintergrund in die richtige Richtung.

Scroll to Top