Medienrecht/Presserecht: Presse-Spekulation über Promi-Liebesbeziehung

Zwei Fälle, zwei unterschiedliche Urteile des BGH. Im ersten Fall spekuliert die „BILD“-Zeitung über die Liebesaffäre des Klägers – eines Musikers – mit einem „Dessous-Model“, die von dem Paar zuvor sorgfältig geheim gehalten worden war. Der BGH geht deshalb davon aus, dass die Berichterstattung in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreift (anders wäre es gewesen, wenn der Kläger die Beziehung zuvor selbst publik gemacht hätte). In der Abwägung mit dem ebenfalls grundgesetzlich geschützten Informationsinteresse der Öffentlichkeit kommt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Presserecht ins Spiel. Der EGMR unterscheidet zwischen Politikern, sonstigen Personen des öffentlichen Lebens und Privatpersonen. Während ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Details aus dem Leben von Privatpersonen nur in Ausnahmefällen bestehen kann, ist bei Personen des öffentlichen Lebens der Schutz gelockert. Prominente können „Leitbild- und Kontrastfunktionen“ erfüllen und Aspekte ihres Privatlebens deshalb Anlass für die Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse sein. Bei Politikern ist der Schutz der Privatsphäre am geringsten ausgeprägt, weil politische Akteure aus Gründen demokratischer Transparenz einer gesteigerten Kontrolle durch die Presse unterliegen, die sich auch auf das Privatleben erstrecken kann. Im vorliegenden Fall kommt der BGH zu dem Schluss, dass das öffentliche Informationsinteresse zurückzutreten habe. Zwar könne der Kläger als Person des öffentlichen Lebens „Leitbild- und Kontrastfunktionen“ erfüllen. Die Nachricht über das Liebesleben des Klägers ziele aber in erster Linie auf eine Enthüllung bisher geheim gehaltener Sachverhalte ab und befriedige damit nur die Neugier der Leser, ohne Anlass für meinungsbildende Erörterung zu sein (BGH Urt. v. 2.5.2017, Az. VI ZR 262/16 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=7ddbe2cd1136ae9ee17b706e7343bd9e&nr=78611&pos=4&anz=7).

Anders hat der BGH in einem aktuellen Urteil zum Presserecht vom 2.8.2022 entschieden (Az. VI ZR 26/21 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=94f62c2565a8e2d25dabd341f997d715&nr=131134&pos=8&anz=15). Hier wendet sich der Kläger – ein Komiker – gegen die spekulierende Berichterstattung über eine Affäre mit einer „Sexbloggerin“. Auch in diesem Fall wird die Berichterstattung nicht etwa deshalb beanstandet, weil sie unwahr wäre. Vielmehr macht der Kläger auch hier einen Eingriff in seine Privatsphäre geltend. Der BGH erkennt anders als im ersten Fall ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung an und stuft deshalb die Meinungsgrundrechte des beklagten Presseorgans höher ein als die Rechte des Klägers. Der Kläger habe das Informationsinteresse durch sein eigenes Verhalten begründet, indem er sich in der Vergangenheit mehrfach über Beziehungsfragen zu einer Frau öffentlich geäußert habe. Außerdem habe er auf seinem Instagram-Account Fotos aus einem Urlaub veröffentlicht, den er mit seiner neuen Lebensgefährtin gemeinsam verbracht hat. Zwar war die Lebensgefährtin auf den Fotos des Klägers nicht zu sehen. Nach Ansicht des BGH hat der Kläger damit aber die Beschäftigung mit diesen privaten Vorgängen „herausgefordert“, was letztlich – durch einen Vergleich mit Fotos aus ähnlicher Urlaubsdestination, die die Freundin zeitgleich gepostet hat – zu der beanstandeten Berichterstattung geführt hat.

Praxistipp: Der Schutz der Privatsphäre von Personen des öffentlichen Lebens vor Presseberichten kann eingeschränkt sein, wenn der Prominente durch eigenes Verhalten solche Berichterstattung herausfordert.

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