Unterlassungsanspruch bei Verstoß gegen Rücksichtnahmepflicht

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Tierrettung, Tierkrankentransporte und Tierschutzkampagnen durchführt. Diese Leistungen können von den Kunden der Klägerin gegen einen jährlichen Beitrag in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus bietet die Klägerin Inkassotätigkeiten an. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Verein zur Förderung des Tierschutzes, der sich aus den jährlichen Mitgliedsbeiträgen seiner Mitglieder finanziert. In der Vergangenheit bot der Beklagte seinen Mitgliedern kostenlose Leistungen des Tierkrankentransports sowie Erste-Hilfe-Kurse am Tier an.

Im Jahr 2016 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, wonach die Leistungen des Tierkrankentransports künftig von der Klägerin erbracht werden sollten. Der Beklagte übergab der Klägerin zu diesem Zweck die Daten seiner Mitglieder, die fortan von der Klägerin als „Kunden“ geführt und deren Zahlungen von ihr vereinnahmt wurden.

Anfang 2020 untersagte der Beklagte der Klägerin Lastschriftabbuchungen zulasten der Mitglieder des Vereins sowie die Nutzung der Mitgliederdaten. Im Juni 2020 schrieb der Beklagte an seine (ehemaligen) Mitglieder unter anderem wie folgt:

„… Wir wissen von einem Schreiben, in dem behauptet wird, dass sie als Mitglieder des T… e.V. (betrifft auch ehemalige Mitglieder) im Jahr 2017 von einer Firma übernommen worden seien und jetzt eine Art Kunde wären. Das ist absolut falsch und unzutreffend! Allein die Vorstellung, dass Sie als Mitglied einer Tierschutzorganisation plötzlich Kunde einer Inkasso-Firma sein sollten, ohne dass Sie selbst dort einen Vertrag geschlossen haben, ist mehr als seltsam. Wir verfolgen die Angelegenheit rechtlich weiter benötigen dafür jeden Hinweis. Mitgliedsbeiträge werden nur und ausschließlich durch uns selbst … eingezogen.“

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung dieser Aussage sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Landgericht verurteilt den Beklagten wie beantragt. Das Berufungsgericht hebt das Urteil mit der Begründung auf, ein Unterlassungsanspruch folge weder aus § 241 Abs. 2 BGB, weil die Verletzung nachvertraglicher Treuepflichten grundsätzlich nur einen Anspruch auf Schadensersatz und keinen Unterlassungsanspruch begründe, noch aus deliktischer Anspruchsgrundlage unter dem Aspekt des Eingriffs in den ausgeübten Gewerbebetrieb, weil es sich bei der beanstandeten Aussage um eine grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerung handele.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Entscheidend ist die in § 241 Abs. 2 BGB geregelte Pflicht von Vertragspartnern, jeweils alles zu unterlassen, was die Erreichung des Vertragszwecks und den Eintritt des Leistungserfolgs auf Seiten der anderen Vertragspartei gefährden könnte. Der BGH stellt klar, dass im Falle der Verletzung der Rücksichtnahmepflicht dem anderen Vertragsteil ein Unterlassungsanspruch zustehen kann. Vom Vertragspartner könne nicht erwartet werden, sehenden Auges die Vereitelung des vertraglichen Leistungserfolgs in Kauf zu nehmen. Bei der Prüfung der deliktischen Anspruchsgrundlage bestätigt der BGH die Beurteilung des Berufungsgerichts. Der BGH führt aus, dass es sich bei den angegriffenen Aussagen aus dem Schreiben des Beklagten an seine (ehemaligen) Mitglieder nicht um Tatsachenaussagen, sondern um geschützte Werturteile handelt. Tatsachenaussagen sind Aussagen, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich sind. Dafür ist Voraussetzung, dass die Aussage in tatsächlicher Hinsicht ausreichend konkret gefasst ist. Zwar enthält die beanstandete Aussagen aus Sicht des BGH einen Tatsachengehalt, der jedoch recht schwammig ist („eine Firma“, „eine Art Kunde“). Demgegenüber stünden die wertenden Elemente der Aussage im Vordergrund („absolut falsch“, „mehr als seltsam“), weshalb der BGH die gesamte Aussage unter den Schutz des Meinungsgrundrechts stellt.

Der BGH stellt auch klar, dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten nicht bestehen, weil die beanstandeten Aussagen des Beklagten keine „geschäftliche Handlung“ sind. Geschäftliches Handeln setzt die auf Erzielung einer Gegenleistung gerichtete Tätigkeit voraus. Daran fehlt es hier, da der Tierschutzverein rein gemeinnützig tätig ist, nachdem er die Tätigkeiten des Tierkrankentransports mit Übertragung an die Klägerin im Jahr 2016 aufgegeben hat (BGH Urt. v. 2.5.2024, Az. I ZR 12/23 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2024&Seite=3&nr=137779&pos=109&anz=1385).

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