Urheberrecht: Umfang des Anspruchs auf Schadenersatz und Auskunft bei Urheberrechtsverletzung

BGH-Urteil zur Abgrenzung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs von der unzulässigen Ausforschung. Die Beklagte beobachtet und analysiert alle gängigen Medienformate (Print, Internet, TV, Radio, Social Media) und beliefert ihre Kunden mit redaktionellen Medienspiegeln entsprechend der jeweiligen Kundenvorgabe. Die Klägerin verlegt die Zeitungen DIE WELT, WELT kompakt, WELT am
Sonntag, BILD und BILD am Sonntag. Über ein drittes Unternehmen (PMG) vermarktet sie ihre redaktionellen Inhalte u.a. an Interessenten, die elektronische Pressespiegel erstellen. Vertragspartner der PMG ist u.a. die Beklagte, die als „Mittler“ Pressespiegel für solche Kunden erstellt, die zugleich Kunden der PMG sind. Im Januar 2013 entdeckt die Klägerin, dass 202 Artikel aus den von ihr verlegten Zeitungen im Originallayout für jedermann zugänglich von Speicherorten der Beklagten im Internet als pdf-Datei abrufbar waren. Es handelt sich um Artikel, aus denen die Beklagte zuvor Pressespiegel für ihre Kunden erstellt hatte. Eine vertragliche Berechtigung der Beklagten, die fraglichen Artikel im Internet zum Abruf für jedermann bereitzustellen, besteht nicht. Nachdem die Beklagte von der Klägerin auf diesen Umstand hingewiesen wurde, begründet sie dies mit einem technischen Fehler. Die freie Abrufbarkeit der Artikel dauerte vom 14. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2013.

Die Klägerin nimmt die Beklagte in Bezug auf die 202 Artikel, die im Januar 2013 frei im Internet abrufbar waren, u.a. auf Zahlung von Schadensersatz (60.900 EUR) sowie auf Auskunftserteilung über den Umfang der Verletzungshandlungen und Rechnungslegung in Anspruch. Sie ist der Auffassung, es spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beklagte die Urheberrechte der Klägerin nicht nur im Zusammenhang mit den im Januar 2013 frei im Internet verfügbaren Artikel verletzt habe. Deshalb verlangt sie von der Klägerin darüber hinausgehend auch Auskunft und Rechnungslegung sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht auch im Hinblick auf alle weiteren, nicht konkret bezeichnete Artikel aus den Publikationen der Klägerin (sog. „Grundauskunft“). Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient der Vorbereitung weitergehender Schadensersatzansprüche.

Das Landgericht gibt dem Schadensersatzverlangen in Bezug auf die konkreten 202 Artikel teilweise sowie der beantragten Grundauskunft in Bezug auf alle weiteren Artikel statt. Das Urteil wird vom Oberlandesgericht im Wesentlichen bestätigt. Auf die Revision der Beklagten bestätigt der BGH die Verurteilung wegen der konkreten Artikel, hebt aber die Verurteilung zur Grundauskunft auf. Der Auskunftsanspruch ist nach Auffassung des BGH grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall beschränkt, d.h. vorliegend auf entsprechende Handlungen im Zusammenhang mit den 202 konkreten Artikeln, die im Januar 2013 unberechtigt im Internet veröffentlicht wurden. Im Hinblick auf nur möglich erscheinende andere Verletzungsfälle bestehe hingegen kein Auskunftsanspruch, da dies darauf hinauslaufe, „unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln der Ausforschung Tür und Tor zu öffnen“ (BGH Urt. v. 28. Juli 2022, Az. I ZR 141/20, abrufbar hier: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2022&Seite=13&nr=130819&pos=399&anz=2252&Blank=1.pdf).

Praxistipp: Der Fall zeigt, dass Urheberrechtsverletzer durch Auskunfts- und Rechnungslegungsverlangen erheblich unter Druck gesetzt werden können, weil diese sich nicht selten auf Vorgänge beziehen, die Jahre in der Vergangenheit liegen und nur noch schwer aufgeklärt werden können. Mit seiner Entscheidung bestätigt der BGH seine Rechtsprechung, dass Ausforschungsverlangen nicht zulässig sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind auf Verwertungsgesellschaften beschränkt.

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