Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich?

Der Beklagte bietet Waren auf Amazon an. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband von Online-Händlern, mahnte den Beklagten im Juli 2020 ab, woraufhin der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Im März 2021 forderte der Kläger den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 EUR auf. Das Berufungsgericht weist die Klage ab mit der Begründung, dem Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe stehe der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, weil die Unterlassungserklärung aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung geschlossen worden sei. Der Grund: Der Kläger habe im Jahr 2020 eine große Zahl von Abmahnungen ausgesprochen und in vielen Fällen, in denen die Abmahnung zurückgewiesen wurde, seine Ansprüche nicht gerichtlich weiterverfolgt. 

Der BGH hebt das Urteil auf. Zwar sei es zutreffend, dass ein Vertragsstrafeanspruch nicht bestehe, wenn die zugrundeliegende wettbewerbsrechtliche Abmahnung missbräuchlich war. Ein Indiz für Rechtsmissbrauch erkennt der BGH, wenn ein Wettbewerbsverband zahlreiche wettbewerbsrechtliche Abmahnungen ausspricht, die bei Zurückweisung des Unterlassungsverlangens aber keiner gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Jedoch vermag lt. BGH die große Zahl von Ansprüchen, die nicht weiterverfolgt wurden, den Rechtsmissbrauch allein nicht zu begründen. Maßgeblich sei, ob bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände der Erwerbszweck im Vordergrund stehe und den Satzungszweck (Verfolgung von Wettbewerbsverstößen) als vorgeschoben erscheinen lasse. Der BGH billigt einem Verband zahlreiche sachgerechte Gründe zu, auf die Rechtsverfolgung zu verzichten – soziale Erwägungen, Tod des Abgemahnten, Insolvenz des abgemahnten Unternehmens oder offenkundige Erfolglosigkeit, etwa im Fall der Unzustellbarkeit von Schriftstücken. Für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen spreche hingegen der Umstand, dass Ansprüche, die rechtlich zweifelhaft begründet sind, in großer Zahl per Abmahnung geltend gemacht, aber gerichtlich nicht weiterverfolgt würden. Ebenso spreche für ein missbräuchliches Abmahnverhalten, wenn der abmahnende Verband Mitglieder systematisch „besser“ behandele als Nicht-Mitglieder (https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2024&Seite=5&nr=137330&pos=172&anz=895).

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