Wettbewerbsrecht: Unzulässige Werbung für Lebensmittel mit gesundheitsbezogenen Angaben – Abmahngefahr

In der Lebensmittelwerbung ist es sehr beliebt, den Gesundheitsnutzen eines Produkts herauszustellen. Derartige Werbung ist allerdings streng reglementiert in den Bestimmungen der Health Claims Verordnung (VO(EG) 1924/2006 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R1924&from=DE). Bei Verstoß drohen die Abmahnung durch Wettbewerber und Sanktionen der Lebensmittelüberwachung. Grundsätzlich setzt eine solche Werbung voraus, dass der Gesundheitsnutzen wissenschaftlich valide nachgewiesen ist (es sei denn, die Angabe ist bereits in die Liste zulässiger Health Claims gem. HCVO aufgenommen).

In einem aktuellen Fall des OLG Karlsruhe ging es um die Angaben „für bewegliche Gelenke“ und „Hilft, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten“ für ein Nahrungsergänzungsmittel geworben, das ein Extrakt aus Hagebutte enthält. Der Hersteller des Produkts wird von einem Wettbewerbsverband auf Unterlassung dieser Angaben in Anspruch genommen. Das Oberlandesgericht seziert die vom Hersteller vorgelegten wissenschaftlichen Publikationen im Hinblick auf ihre Eignung zur wissenschaftlichen Absicherung der beanstandeten gesundheitsbezogenen Angaben. Dabei stellt das Gericht folgende Grundsätze heraus (s. hierzu auch Riegger, Heilmittelwerberecht, 50 ff https://www.beck-shop.de/riegger-heilmittelwerberecht/product/26491):

  • Im Rahmen der HCVO kommt es darauf an, ob unter Berücksichtigung des Gesamtmaterials wissenschaftlicher Nachweise die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Aussagen unter Berücksichtigung des Verbraucherschutzes ausreichend hoch ist.
  • Klinische Studien, die randomisiert, doppelblind und placebo-kontrolliert sind, weisen im Fall eines statistisch signifikanten Ergebnisses die höchste Evidenzklasse auf.
  • Ob seitens der Studienautoren wirtschaftliche oder personelle Verflechtungen zum werbenden Unternehmen bestehen, ist von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist, dass solche Interessenkonflikte in der Publikation offengelegt werden.
  • Dass eine Studie vom werbenden Unternehmen finanziert wurde, ist nicht unüblich. Das OLG Karlsruhe misst diesem Umstand daher keine Bedeutung zu.

Wesentlich ist aber, ob das Ergebnis der Studie die in Frage stehende Wirkaussage trägt. Im vorliegenden Fall belegten die Studien vorwiegend positive Wirkungen bei Gelenkschmerzen und nicht im Hinblick auf die Beweglichkeit der Gelenke. Auch handelte es sich um kurzfristige Untersuchungen, weshalb die Studienautoren auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zur Absicherung des langfristigen Behandlungserfolgs hinweisen. Da die beanstandeten Aussagen (auch) den längerfristigen Erfolg einschließen, sieht das OLG Karlsruhe den Wirknachweis somit als nicht erbracht an und gibt dem Antrag des Klägers statt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2022, Az. 4 U 225/22).

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