Wettbewerbsrecht: Verjährung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“

Wer in einer Abmahnung aufgefordert wird, eine Unterlassungserklärung abzugeben, sollte sich vorher beraten lassen. Wegen der damit verbunden Risiken sollte sorgfältig geprüft werden, ob ein Anspruch auf Abgabe der Unterlassungserklärung besteht und wenn ja, wie die Erklärung formuliert sein sollte. Ist das geklärt, ist die Unterlassungserklärung ein probater Weg, den Streit kostengünstig ohne Gerichtsverfahren zu beenden. Allerdings muss die Erklärung stets durch das Versprechen des Abgemahnten (der Schuldner der Unterlassungserklärung) abgesichert sein, im Fall der Zuwiderhandlung gegen die Erklärung an den abmahnenden Gläubiger eine Vertragsstrafe zu zahlen. Nicht selten scheitert die Abgabe einer Unterlassungserklärung daran, dass die Parteien über die Höhe der Vertragsstrafe keine Einigung erzielen – sollen es 1.000 EUR je Verstoß sein oder besser 5.000 EUR? Um in solchen Streitfällen eine Einigung herbeizuführen, bietet sich die Abgabe einer Vertragsstrafe nach dem sogenannten „Hamburger Brauch“ an. In einer solchen Erklärung ist die Höhe der nach einer Zuwiderhandlung geschuldeten Vertragsstrafe nicht konkret beziffert. Die Erklärung ist so formuliert, dass es in diesem Fall dem Gläubiger überlassen ist, die angemessene Höhe der Vertragsstrafe nach billigem Ermessen zu bestimmen, und der Schuldner das Recht hat, die festgesetzte Höhe gerichtlich überprüfen zu lassen (https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__315.html). Der „Hamburger Brauch“ ist für den Schuldner vorteilhaft, denn die offene Formulierung gewährleistet, dass den Besonderheiten des Falles Rechnung getragen werden kann. Wenn den Schuldner zum Beispiel nur ein leichtes Verschulden am Verstoß trifft, kann er dies im Gerichtsverfahren über die Höhe der Vertragsstrafe zu seiner Verteidigung geltend machen und darauf hoffen, dass das Gericht die Vertragsstrafe entsprechend herabsetzt (im Einzelnen: Wettbewerbsrecht).

Allerdings ist der „Hamburger Brauch“ auch mit Risiken für den Schuldner verbunden, wie ein aktuelles Urteil des BGH zeigt (Urt. v. 27.10.2022, Az. I ZR 141/21 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2022&Seite=1&nr=131745&pos=58&anz=2536). In diesem Fall hatte sich der Beklagte im Juni 2013 auf die Berechtigungsanfrage des Klägers, eines Fotografen, hin verpflichtet, ein von diesem angefertigtes Lichtbild nicht mehr im Internet zu verbreiten. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprach der Beklagte, eine Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ an den Kläger zu zahlen. Dennoch blieb das Lichtbild noch bis Mai 2014 auf diversen Länderseiten bei eBay abrufbar – ein klarer Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Der Kläger ließ sich allerdings Zeit, die Höhe der Vertragsstrafe zu bestimmen. Erst im Dezember 2016 forderte er den Beklagten mit Einschreiben zur Zahlung von 3.600 EUR auf. Der Beklagte verweigerte die Annahme dieses und weiterer Einschreiben. Im November 2019 wurde er letztmalig durch Anwaltsschreiben erfolglos zur Zahlung aufgefordert. Daraufhin erhebt der Kläger im Dezember 2019 Klage. Der Beklagte wendet ein, die Forderung sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt gewesen. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger davon Kenntnis erhält (§ 199 Absatz 1 BGB). Die erste und zweite Instanz weisen die Klage ab mit der Begründung, die Verjährung habe bereits Ende 2014 begonnen, als die Zuwiderhandlung zuletzt erfolgt sei. Auf die Revision des Klägers hebt der Bundesgerichtshof die Entscheidung auf. Das Gericht weist darauf hin, dass zur Anspruchsentstehung auch die Fälligkeit des Anspruchs erforderlich ist, die im vorliegenden Fall erst mit dem Leistungsverlangen des Klägers im Jahr 2016 eingetreten sei. Damit sei der Anspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung 2019 noch nicht verjährt gewesen.

Praxistipp: Die Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ hat Vorteile für den Schuldner. Allerdings kann sich der Gläubiger mit der Bezifferung seines Anspruchs Zeit lassen, ohne dass die Verjährung zu laufen beginnt. Will der Schuldner Klarheit haben, ob er eine Vertragsstrafe schuldet, hat er die Möglichkeit, das zuständige Gericht zur Leistungsbestimmung anzurufen (§ 315 Absatz 3 Satz 2 BGB). Legt der Gläubiger über lange Zeit keine Vertragsstrafe fest, kann er seinen Anspruch verwirken. Verweigert der Schuldner die Annahme eines Schreibens, mit dem der Gläubiger die Vertragsstrafe geltend macht, nützt ihm das nichts: Er wird dann so behandelt, als sei ihm die Erklärung zugegangen.

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