Zustellung einer Einstweiligen Verfügung wegen Kommentar-Löschung

Wird auf einer Social Media-Plattform ein Kommentar oder gleich der ganze Account gelöscht, begründen Facebook, Twitter u. Co dies gerne lapidar mit dem angeblichen „Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards“. Dagegen kann sich der Betroffene häufig mit Erfolg zur Wehr setzen. Erwirkt er eine Einstweilige Verfügung, stellt sich die Frage: An wen soll diese zugestellt werden (Wettbewerbsrecht)?Die Plattformbetreiber sitzen im EU-Ausland, und Zustellungen dorthin dauern lange – oft mehrere Wochen. Da erscheint es praktisch, wenn das NetzDG bestimmt, dass bei Anbietern sozialer Netzwerke die Zustellung von Schriftstücken auch an den von ihnen benannten Zustellungsbevollmächtigten im Inland bewirkt werden kann (§ 5 Abs. 1 NetzDG).

Doch unter welchen Voraussetzungen ist das zulässig? Das Gesetz spricht von Zustellungen im Rahmen von „Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der unbegründeten Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte“. Tatsächlich ist es aber so, dass Plattformbetreiber Nutzerbeiträge nicht nur wegen angeblicher Gesetzesverstöße löschen – das sind die Fälle, die unter das NetzDG fallen (§ 1 Abs. 3 NetzDG). Viel häufiger kommt es vor, dass der Beitrag bzw. Account wegen „Verstoßes gegen Gemeinschaftsstandards“ (also die vertraglichen Nutzungsbedingungen) gelöscht wird. Vertrackt wird die Sache dadurch, dass die Plattformbetreiber in ihrer Begründung für eine erfolgte Löschung häufig nicht differenzieren, zumal die „Gemeinschaftsstandards“ auch solche Nutzerbeiträge verbieten, die gegen nationale Gesetze verstoßen. Deshalb wird regelmäßig als Begründung nur der angebliche „Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards“ genannt, so dass der Nutzer gar nicht weiß, ob er wegen Gesetzesverstoß oder Vertragsverstoß gelöscht wurde.

Der BGH weist hier einen praktischen Weg. Demnach genügt der Nutzer seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit der Zustellung an den benannten Zustellungsbevollmächtigen, wenn er in der Begründung seines Verfügungsantrags nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorgebracht hat, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung in der Annahme eines NetzDG-Verstoßes vorgenommen hat. Dem Anbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, dass andere Gründe für die Löschung maßgeblich waren (BGH Urt. v. 10.11.2022, Az. I ZB 10/22 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=699e83190fd9b8a9a70ade883ec5ff2b&nr=132250&pos=0&anz=1).

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